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S a t e l l i t e n g e o d ä s i e    u n d    R a d i o i n t e r f e r o m e t r i e
(Erdmessung mit Raummessverfahren der kosmischen Geodäsie)
Satellitengeodäsie


Grundlagen (Zweck der Erdmessung, Nutzung der Satelliten zur Erdmessung, erste Satelliten):

Erdmessung (sog. höhere Geodäsie) ist ein Teilgebiet der Geodäsie, das sich mit Verfahren befaßt, die zur genauen Bestimmung der Figur der Erde und des Erdschwerefeldes notwendig sind. Die ersten Versuche, die Größe der Erde zu bestimmen, wurden bereits in der Antike durch Griechen und später durch Araber unternommen. Die verschiedenen Gradmessungen (siehe hier) in der Neuzeit verbesserten bedeutend das Wissen über die genaue Form der Erde.
Um die exakte Figur der Erde zu beschreiben, wurde um 1870 der Begriff "Geoid" eingeführt. Es ist eine Bezugsfläche, die als Fläche definiert wird, auf der das Potential der Erdschwere gleich ist. Sie wird näherungsweise durch den mittleren Meeresspiegel der Weltmeere repräsentiert. Die natürliche Lotrichtung und das Geoid stehen in jedem Punkt senkrecht zueinander. Deshalb kann man das Geoid durch das Messen der Erdschwerekraft (Gravitationskraft) bestimmen, was eine der wichtigsten Aufgaben der Erdmessung ist.
Der kroatische Sonderstempel von 2016 zeigt das Geoid, genannt manchmal auch die Potsdamer Schwerekartoffel (da es sich dabei um ein vom GeoForschungsZentrum Potsdam erstellte Modell des Erdschwerefeldes handelt; s. dazu auch weiter unten):


Da das Geoid eine unregelmäßige Form hat, hat man als Grundlage für die Vermessung und die Abbildung der Erde in den Karten eine mathematisch einfach zu beschreibende Näherung angenommen, das Rotationsellipsoid (siehe hier).

Bis etwa zur Mitte des 20. Jh. beruhte die Erdmessung fast ausschließlich auf terrestrischen Messungen zwischen Punkten der Erdoberfläche mit den Methoden der Triangulation, der astronomischen Ortsbestimmung, der Azimut- und Zeitmessung, der Höhenmessung und Gravimetrie (Schwerkraftmessung). So erfolgte die Bestimmung der Geoidfläche anfangs durch astronomische Bestimmung der Lotrichtung und durch einzelne örtliche Schweremessungen mit dem Gravimeter. Seit dem Beginn der Raumfahrt Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts eröffneten sich für den Bereich der Erdmessung ganz neue Möglichkeiten, vor allem solche der Satelitengeodäsie.
Unter Satellitengeodäsie versteht man die Erdvermessung mittels Beobachtung künstlicher Satelliten. Zu diesem Zweck werden spezielle geodätische Satelliten eingesetzt oder andere Erdsatelliten geodätisch genutzt. Grundsätzlich gibt es dabei zwei methodische Vorgehensweisen: Richtungs- und Distanzmessungen zu den Satelliten als Hochziele zum Aufbau von Netzen für die Positionsbestimmung der Messpunkte und die Berechnung ihrer Koordinaten (geometrische Satellitengeodäsie) oder die Bahnbestimmung von Satelliten und Analyse der Bahnstörungen zur Bestimmung des Schwerefeldes der Erde und damit auch des Geoids (dynamische Satellitengeodäsie) sowie die Kombination beider Verfahren.

Der Anfang der Satellitengeodäsie datiert auf den 4. Oktober 1957 als der russische Satellit Sputnik 1 in eine Umlaufbahn gebracht wurde. Bereits im gleichen Jahr konnte durch optische Beobachtungen der Bahn des Satelliten Sputnik 2 die bisher nur ungenau bekannte Abplattung der Erde deutlich exakter bestimmt werden:
Sputnik 2
Laos [1987], (Mi 989); Ungarn [], (Mi)

Auch die optisch beobachteten Bahnstörungen, die während der wenigen Betriebstage des ersten amerikanischen Satelliten Explorer 1 (der aus Anlaß des ersten Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 zum Zwecke der Polar- bzw. Ionosphärenforschung am 1. Februar 1958 startete) festgestellt wurden, steigerten erheblich die Genauigkeit des bisher bekannten Schwerefeldes der Erde:

Explorer 1


Vanguard-Projekt:

Vanguard war der Name eines US-amerikanischen Forschungsprojekts, das als Vorbereitung auf das Internationale Geophysikalische Jahr initiiert wurde, um einen Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen. In seinem Verlauf wurde eine Trägerrakete entwickelt und es wurden in den Jahren 1958-1959 insgesamt drei Satelliten im All ausgesetzt.
Am 17. März 1958 wurde mit einer dreistufigen Trägerrakete der erste geodätische Satellit Vanguard 1 in die Erdumlaufbahn gebracht (er sollte ursprünglich noch vor dem Explorer 1 in die Umlaufbahn gebracht werden, der Startversuch am 6. Dezember 1957 ist aber fehlgeschlagen). Der kugelförmige Forschungssatellit (scherzhaft Grapefruit genannt) hatte einen Durchmesser von nur 15,2 cm, wog 1,47 kg und war mit sechs Antennen ausgestattet. Die Analyse der Messungen des Doppler-Effektes der von ihm gefunkten Signale und die Bahnverfolgung gaben Aufschluß über die Unregelmäßigkeit der Erdform und ermöglichten den Nachweis der Äquatorabplattung des Gravitationsfeldes der Erde.
Vanguard 1 war der erste Satellit, der mit Solarzellen versorgt wurde, was eine ca. siebenjährige Betriebszeit ermöglichte. Bis heute befindet sich Vanguard 1 noch in der Umlaufbahn der Erde (und ist damit der älteste im All befindliche künstliche Himmelskörper), wo er noch ca. 200 Jahre verbleibt, bis er in der Erdatmosphäre verglühen wird.



Satellit Vanguard 1
Aitutaki [1983], (Mi 498)
Umm Al Qiwain [1966], (Mi 84)
Nordkorea [1976], (Mi 1496)

Satellit Vanguard 1
Arabische Republik Jemen [1969], (Mi 903}


Wichtigste Verfahren der Satellitengeodäsie:

Im Allgemeinen kann mann die Satellitengeodäsie in Abhängigkeit von den verwendeten Verfahren (bzw. den Phasen in der Entwicklungsgeschichte) in fünf Gruppen gliedern:

1. Optische bzw. visuelle Beobachtungsverfahren (Richtungsmessung)
Bei diesen Verfahren, die hauptsächlich in den Jahren 1960-1973 zum Einsatz kamen, wurden besondere Erdsatelliten mit speziellen Theodoliten, mit konventionellen optischen Teleskopen oder mit photographischen Techniken beobachtet. Mit diesen Methoden gelang es erstmalig, die Abstände der Kontinente mit einer Genauigkeit von ca. 5 m zu bestimmen. Es entstand auch ein erstes ziemlich genaues globales (!) terrestrisches Bezugssystem. Außerdem ermöglichten die Meßergebnisse die Herleitung eines ersten relativ genauen Potentials für das Gravitationsfeld der Erde. Während vor der Satellitenära lediglich die Abplattung der Erde zuverlässig bekannt war, wurde nach dieser ersten Epoche der Satellitengeodäsie auch die Anziehungskraft auf einen Satelliten sehr genau charakterisiert. Durch die wiederholte Beobachtung der Erdsatelliten während ihrer zahlreichen Umläufe ließen sich auch relativ kleine Unregelmässigkeiten in der Massenverteilung der Erde bestimmen.
Zum Einsatz für diese Beobachtungsverfahren kamen mehrere Satelliten, sowohl rein geodätische, als auch anderen zwecken dienende, u.a.:
  • Ballonsatelliten Echo 1 und Echo 2:
    Der passive amerikanische Nachrichten- und geodätische Ballonsatellit Echo 1 wurde am 12. August 1960 gestartet. Der mit dünnem Aluminium überzogene dünne Ballon aus dem Nylon-ähnlichen Material Mylar hatte einen Durchmesser von 30 Meter. Die stark reflektierende Kugel war etwa 10 Jahre lang als heller Stern zu sehen (konte auch mit blossen Auge von der Erde gesehen werden) und diente zur passiven Weiterleitung von Signalen im Radio- und Funkverkehr sowie zu geodätischen Beobachtungen. Der Satellit verglühte in der Erdatmosphäre im Jahr 1968.
    Weil Echo 1 trotz seiner Einfachheit recht erfolgreich eingesetzt werden konnte, wurde 1964 ein ähnlicher Ballonsatellit Echo 2 gestartet. Echo 2 war mit 41 Metern Durchmesser noch größer als Echo 1, seine Bahn war etwas niedriger und verlief sehr polnah. Echo 2 hatte mit seinen ca. 7 Jahren eine etwas kürzere Lebensdauer als Echo 1. Beide Ballons verloren ihre Kugelgestalt erst nach einigen Jahren, obwohl ihre Gasfüllung vermutlich nur wenige Stunden vorhanden war.
  • Ballonsatellit PAGEOS (PAssive GEOdetic Satellite):
    Der geodätische Erdsatellit PAGEOS war ein großer Ballonsatellit, der 1966 für Zwecke des Satelliten-Weltnetzes(s.u.) gestartet wurde. Er hatte etwa 30 m Durchmesser und eine Bahnhöhe von rund 4000 km. Seine dünne Hülle aus Mylar wurde im Weltraum durch chemische Reaktionen aufgeblasen. Gegen Mitte der 1970er Jahre verglühte der Satellit in der hohen Atmosphäre.
Ballonsatellit Echo 1
USA [], (Mi )
Paraguay [], (Mi )
Dominica [], (Mi )
Ballonsatellit Echo 2
Ecuador [], (Mi )
Monaco [1965], (Mi )
Paraguay [], (Mi )
Ballonsatellit Echo (ohne angegebene Seriennummer)
Kasachstan [], (Mi )
Paraguay [], (Mi )


Die Ballonsatelliten wurden zu geodätischen Zwecken optisch oder mit Hilfe von fotografischen Kameras beobachtet. Aus solchen Fotoaufnahmen mit Satellitenspur vor dem Hintergrund des Sternenhimmels und aus den zugehörigen Zeitmarken kann die Satellitenbahn im Sternenkoordinatensystem bestimmt werden. Damit kann die Analyse der Bahnstörungen und somit auch eine genaue Bestimmung des Erdschwerefeldes in Satellitenhöhe erfolgen.
Außerdem kann mit solchen Satelliten analog zur terrestrischen Triangulation die sog. Stellartriangulation (Satellitentriangulation) durchgeführt werden. Bei diesem Verfahren der Geodäsie werden die Zielpunkte (Satelliten) nicht mit direkter Winkelmessung, sondern durch fotografische Aufnahmen vor dem Hintergrund des Sternhimmels eingemessen. Dabei erfolgt die gleichzeitige Messung des Satelliten von zwei oder mehr Bodenstationen und Bildung von großen Dreiecken zwischen ihnen. Dabei müssen die verwendeten Hochziele – Ballons, ballistische Flugkörper oder Erdsatelliten – zunächst gar nicht mit Koordinaten bekannt sein. Man kann ihre Position, wenn sie von mehreren Bodenstationen gleichzeitig aufgenommen werden, entweder mit Schnittmethoden bestimmen oder aus der Berechnung gänzlich eliminieren.
Insgesamt wurden nach dem Prinzip der Stellartriangulation in den 1960er und 1970er-Jahren weltweit mehrere interkontinentale Satellitentriangulationen durchgeführt. Zwischen 1960 und 1968 – als der Ballonsatellit Echo 1 verglühte – wurden hunderttausende Messungen gemacht. Die Achsen des Erdellipsoids, die bis dahin wegen der geodätisch fast unüberbrückbaren Ozeane nur auf etwa 100 Meter bekannt waren, konnten dadurch etwa zehnmal genauer bestimmt werden. Beim Netz der SAO (USA) über vier Kontinente konnten erstmals Meßstrecken über 5.000 km bestimmt werden, wofür die Ballonsatelliten Echo 1 und Echo 2 als Hochziele dienten. Die Genauigkeit betrug einige Meter, was die bisherigen Daten um den Faktor 10-20 übertraf. Ähnliches erreichte man mit dem sehr dichten Westeuropa-Netz namens WEST (West European Satellite Triangulation).
Auch zu dem speziell zum Aufbau des Weltnetzes gestarteten Satelliten PAGEOS wurden in den Jahren 1969 bis etwa 1972 im Rahmen der Stellartriangulation tausende Richtungsmessungen auf ca. 3000 Fotoplatten durchgeführt, die auf 46 mobilen fotografischen Observatorien (Weltnetz-Stationen) aufgenommen wurden (davon drei Stationen in Europa). Das globale Vermessungsnetz wurde aus über 100 terrestrischen Messlinien zwischen den 46 Observatorien aufgebaut, indem jeweils 2-4 dieser Stationen den Satelliten PAGEOS simultan beobachteten. Dieses "Weltnetz der Satellitengeodäsie" (fertiggestellt 1973) verband erstmals alle 6 Kontinente und einige Inseln mit einer Genauigkeit von etwa 5 Meter, was 10-20 mal genauer als frühere Erdmessungen war.

Die nachfolgenden russischen Briefmarken zeigen den ersten indischen Satelliten Aryabhata (Durchmesser 1,4 m; ausgestattet mit Solarzellen), der an Bord einer russischen Interkosmos-Rakete am 19. April 1975 gestartet wurde, und neben den Forschungszwecken aus den Bereichen der Röntgenastronomie, Sonnenphysik und Aeronomie wohl auch geodätisch genutzt wurde. Die erste Briefmarke zeigt nämlich wohl das Prinzip der Stellartriangulation und trägt außerdem den Text "kosmische Geodäsie". Der Satellit verglühte in der Erdatmosphäre am 11. Februar 1992:

Sowjetunion [1984], (Mi )


  • aktive Satelliten GEOS 1 bis GEOS 3:
    GEOS (Geodetic Earth Orbiting Satellite) war eine Serie von drei US-amerikanischen geodätischen Forschungssatelliten der NASA. Sie waren die ersten Missionen im National Geodetic Satellite Program. GEOS 1 wurde im Rahmen des Explorer-Programms als Explorer 29 am 6. November 1965 ins All gebracht, und GEOS 2 (als Explorer 36) am 11. Januar 1968. Sie verfügten über eine Energieversorgung über Solarzellen. Die Ausrüstung bestand aus einer Anzahl von optischen und Radio-Frequenz Systemen (u.a. Blitzlampen, Doppler-Sender) zur exakten Bahnverfolgung sowie Laser-Reflektoren (zur Erprobung der SLR-Messtechnik - Satellite Laser Ranging - siehe unten). Ein wichtiges optisches System waren die Blitzlampen, und obwohl die GEOS-Satelliten aufgrund ihrer nur gereingen Größe schwieriger zu verfolgen waren als die großen Ballonsatelliten, konnte man dank der Blitze den einzelnen Punkten der Satellitenspur auf den Fotoaufnahmen viel besser die Zeitmarken zuordnen.
    Ziel der Missionen war die Vermessung von ausgewählten Beobachtungspunkten mit einer Genauigkeit von 10 m in einem drei-dimensionalen Koordinatensystem mit dem Masseschwerpunkt der Erde als Mittelpunkt. Weiterhin wurde die Struktur des irregulären Erdgravitationsfelds sowie die Lage der großen Gravitationsanomalien bestimmt.
    Der am 9. April 1975 gestartete GEOS 3 Satellit (auf Grund der erweiterten Aufgaben auch Geodynamics Experimental Ocean Satellite genannt) war eine erweiterte Version der beiden vorangegangenen Satelliten. Dieser Satellit war nicht mehr Bestandteil des Explorer-Programms. Zusätzlich zur Aufgabenstellung der Vorgänger war durch ein Radar-Altimeter (s.u.) eine präzise Messung der Ozeanhöhen möglich, was eine weitere Verfeinerung des Gravitationsmodells der Erde ermöglichte.
  • aktiver Satellit ANNA 1B:
    ANNA 1B war der erste amerikanische, ausschließlich geodätische Forschungssatellit, dessen Aufgabe war, die Stärke und Richtung des Erdgravitationsfeldes zu messen und den Massenschwerpunkt sowie die Position der Erde zu bestimmen. Der Name wurde von den vier Sponsoren der Mission abgeleitet: Army, NASA, Navy und Air Force.
    Dem Start von ANNA 1B am 31. Oktober 1962 war einige Monate früher ein gescheiterter Start des Zwillingssatelliten ANNA 1A vorausgegangen. ANNA 1B wog 161 kg, hatte einen Durchmesser von 91 cm und war mit einem Band von Solarzellen rund um seinen Äquator umgeben. Der Satellit war ähnlich wie die späteren GEOS-Satelliten mit optischen und Radiosystemen sowie mit einem Doppler-System (s.u.) ausgestattet. Als optisches Instrumentarium diente eine programmierte Blitzlampe mit einer sehr starken Leistung, die alle 5,6 Sekunden 5 Blitze emitierte. Sie wurden von den Bodenstationen des MOTS-Netzes forografiert. Das Doppler-System der Navy wurde auch programmgesteuert aktiviert. Während seiner Betriebszeit sammelte ANNA 1B eine große Anzahl geodätischer Meßdaten, die eine sehr genaue Bestimmung der Positionen der Beobachtungsstationen in Bezug auf den Erdmittelpunkt ermöglichten. Die fotografische Messung der Blitze des Sateliten und die Doppler-Messungen ermöglichten Genauigkeiten von unter 20 Metern.
    Der Satellit befindet sich noch in der Umlaufbahn und seine Lebenszeit wird noch auf 3000 Jahre geschätzt.
    Die nachfolgende Blockausgabe von Sharjah zeigt rechts oben einen geodätischen Forschungssatelliten mit Blitzlicht, wahrsch. den ANNA 1B:
Sharjah [], (Mi )


2. Beobachtungen des Doppler-Effektes
Die sog. Dopplerperiode dauerte ab Mitte der 1960er bis etwa Ende der 1990er Jahre, wobei auch heute noch solche Satelliten eingesetzt werden. Als „Dopplersatelliten“ werden künstliche Erdsatelliten bezeichnet, die zur Messung des Dopplereffektes also einer Frequenzverschiebung dienen, die durch ihre Bahngeschwindigkeit und die Erdrotation verursacht wird (die Messung dieser Verschiebung kann durch Messeinrichtungen in den Satelliten selbst erfolgen oder durch die Kommunikation mit den Bodenstationen).
Das Doppler-Messprinzip wurde bereits seit Beginn der Raumfahrt in 1957 zur Bahnbestimmung der Sputnik- und Explorer-Satelliten eingesetzt. Auch die geodätischen Satelliten ANNA 1B und die GEOS-Satelliten (s.o.) hatten Dopplersysteme am Bord. Bereits wenige Jahre nach dem Start der ersten Satelliten wurden spezielle auf dem Dopplereffekt basierenden Navigationssatelliten in den All gebracht. Dieses erste, amerikanische Satelliten-Navigationssystem - Naval Navigation Satellite System (NNSS), auch unter dem Namen TRANSIT bekannt, wurde durch die US-Marine seit 1960 v.a. zum Zweck der Zielführung ballistischer Raketen entwickelt. Bei diesem System kreisten mehrere (4-6) Satelliten auf polaren, beinahe kreisförmigen Umlaufbahnen in ca. 1100 km Höhe um die Erde, die von ihnen wie in einem genau ausgemessenen Käfig umschlossen war. Der erste Satellitenprototyp des TRANSIT-Systems (TRANSIT 1B) wurde am 13. April 1960 gestartet. Bereits 1964 wurde das System in Betrieb genommen und kurze Zeit später auch für zivile Nutzung zur Verfügung frei gestellt.
Nur wenige Jahre nach dem Start dieses Doppler-Navigationssystems konnte man erstmals internationale, weit ausgedehnte Bahn- und Landesvermessungen mit der absoluten Positionsgenauigkeit von etwa einem Meter durchführen (bei einer normalen Echtzeit-Navigation waren die Positionsgenauigkeiten von bis zu 50 m möglich). Man erreichte also bei geodätischen Verfahren Genauigkeiten, wie bei der optischen Satellitenmessung, aber die Doppler-Technik war für jeden Besitzer der entsprechenden Dopplerempfänger zugänglich. Um diese Positionsgenauigkeiten zu ereichen, waren Beobachtungssessionen von einigen Tagen nötig. Es wurden zahlreiche geodätische Doppler-Kampagnen durchgeführt, um lokale, regionale und globale Stationsnetze zu vermessen und ihre gegenseitige Lage genau festzulegen. Bis Anfang der 70er Jahre wurde ein erdumspannendes Netz aufgebaut, das die bisherige Genauigkeit um das Zehnfache steigerte. Die Doppler-Beobachtungsverfahren haben die bisherigen optischen methoden der Satellitengeodäsie verdrängt.
Das NNSS (TRANSIT) spielte eine bedeutende Rolle in der Satellitengeodäsie bis in den 90er Jahren das neue GPS-Navigationssystem (s.u.) vollendet wurde. Als Positionierungssystem wurde TRANSIT am Ende des Jahres 1996 abgeschaltet, wurde aber als Instrument für die Überwachung der Ionosphäre weiterverwendet.
Die nachfolgende Briefmarke zeigt den Satelliten TRANSIT 2A (Prototyp), der am 22. Juni 1960 in den All geschickt wurde (die Bezeichnung auf der Briefmarke als meteorologischer Satellit, ist wohl falsch):
Panama [], (Mi )

Satellit TRANSIT 4A, gestartet am 29. Juni 1961:
Nordkorea [], (Mi )

Ein anderes auf dem Doppler-Effekt basierendes Meßsystem der Satellitengeodäsie ist das französische System DORIS (Doppler Orbitography and Radiopositioning Integration by Satellite). Es ist ein Satelliten-Navigationssystem, das hochgenaue Bahnbestimmungen aus der Doppler-Verschiebung von Zweifrequenz-Signalen berechnet, die kontinuierlich von festen Bodenstationen ausgesendet werden. Dabei wird aus einer Frequenz die Radialgeschwindigkeit des Satelliten bestimmt, während aus der anderen die Fehler bereinigt werden, die sich aus Signal-Laufzeitverzögerungen in der Ionosphäre ergeben. Im Gegensatz zum amerikanischen Satelliten-Navigationssystem GPS (s.u.) ist DORIS auf die Existenz und den Betrieb von zahlreichen Bodenstationen als Signalsender angewiesen (siehe auch unten zum International DORIS Service - IDS). Mit dem DORIS-Meßsystem sind einige Altimetrie-Satelliten (Envisat, Jason-1) und Fernerkundungssatelliten (SPOT-2, SPOT-4 and SPOT-5) ausgestattet.


3. Satelite Laser Ranging - SLR-Beobachtungsverfahren (Distanzmessung)
Satellite Laser Ranging (SLR) ist eine hochpräzise Methode der Satellitengeodäsie, bei der die Distanzmessung zu Erdsatelliten durch die Laufzeitmessung von Laser-Impulsen erfolgt. SLR dient einerseits zur genauen Bahnbestimmung der Umlaufbahn von geodätischen Satelliten, andererseits zur Punktbestimmung in der Erdmessung und Geodynamik. Daraus können u.a. Veränderungen des Erdkörpers und der Erdrotation, die Bewegung des Massenschwerpunktes der Erde und das Gravitationsfeld der Erde abgeleitet werden.
Nachdem das Laser-Prinzip im Jahre 1960 von Theodore Maiman entdeckt wurde, hat man bereits 1964 den ersten Satelliten, Explorer 22, mit Retroreflektoren (kleine Glasprismen, die das Laserlicht um genau 180° zurückwerfen) gestartet und von einer Bodenstation die ersten Laser-Echos detektiert. Die Bodenstationen müssen mit einem lichtstarken Teleskop ausgestattet sein, das den Laserstrahl zum Satelliten "schießt" und die zurückkommenden Lichtquanten registriert. Die Beobachtung besteht in der Messung der Lichtlaufzeit zum Satelliten und zurück, woraus man mit Hilfe der bekannten Lichtgeschwindigkeit die doppelte Entfernung Station-Satellit ermittelt. Die SLR-Ära begann ernsthaft zu Beginn der 70er Jahre und dauert bis heute an. In den Anfangsjahren dieser Technik wurden die Distanzen zu künstlichen Erdsatelliten auf Meter genau gemessen, heute erreicht man Millimetergenauigkeiten.
Die SLR-Technik kann auf alle Satelliten angewandt werden, die mit Retroreflektoren ausgestattet sind. Typische geodätische SLR-Satelliten (kugelförmig, von allen Seiten mit Retroreflektoren bedeckt), die zurzeit von den Bodenstationen mit Lasern angemessen werden, sind u.a. die NASA-Satelliten LAGEOS 1 (gestartet 1976) und LAGEOS 2 (gestartet 1992), beide mit 60 cm Durchmesser, 405 kg Gewicht und mit je 426 Retroreflektoren ausgestattet (LAGEOS = LAser GEOdynamic Satellite), Beacon (gestartet 1965), die französischen Satelliten Starlette (gestartet 1975, 24 cm Durchmesser) und Stella (gestartet 1993), der japanische AJISAI (gestartet 1986, 2,15 m Durchmesser), die russischen ETALON 1 und ETALON 2 (beide gestartet 1989) sowie LARETS (gestartet 2003) und einige andere Satelliten.
Außer dieser geodätischen Satelliten werden von den SLR-Bodenstationen (s.u.) auch verschiedene, anderen Zwecken dienende Satelliten beobachtet, die zusätzlich auch mit Retroreflektoren ausgestattet sind, z.B. die Satelliten für Fernerkundung und Altimetrie (s.u.) ERS-1, ERS-2, ENVISAT und Jason-1 sowie TOPEX/Poseidon (s.u.), einige der amerikanischen GPS- (s.u.) und russischen GLONASS-Navigationssatelliten, oder die Satelliten zur Schwerefeldmessung CHAMP, GRACE A und GRACE B. (siehe auch hier).
Die europäischen Fernerkundungssatelliten ERS und ENVISAT mit Retroreflektoren für SLR, Radar-Altimetern und dem Doppler-System DORIS (nur ENVISAT) /siehe auch Fernerkundung/:


Die Fernerkundungssatelliten ERS-1 und ENVISAT, die auch mit einer Retroreflektoren-Matrix für SLR-Beobachtungen ausgestattet waren/sind. Beide besaßen zudem einen Radar-Altimeter und der ENVISAT ist auch mit einem DORIS-System ausgerüstet.
Österreich [], (Mi )
Komoren [], (Mi )

Ein typisch geodätischer, kugelformiger Lasersatellit war auch der GFZ-1. Dieser deutsche Forschungssatellit wurde in weniger als einem Jahr vom GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam entwickelt. Dieser passive Lasersatellit mit einem Durchmesser von 22 cm wog 20,6 kg. Seine kugelförmige Oberfläche trug 60 Laser-Retroreflektoren für genaue Laser-Distanzmessungen (ca. auf 1 cm genau). Der Mikrosatellit GFZ-1 wurde am 9. April 1995 mit einer russischen Progress-Trägerrakete zur Raumstation Mir gestartet und von dort aus zehn Tage später in eine niedrige polnahe Kreisbahn von 400 km Höhe gebracht (damit der niedrigste bis zu dem Zeitpunkt mit Lasern angemessene geodynamische Satellit). Nach 4 Jahren und 64 Tagen verglühte er am 23. Juni 1999 in der Erdatmophäre, nachdem er fast 24.000 mal die Erde umrundet hatte. Insgesamt wurden 5.402 Durchgänge des Satelliten mit Laserstrahlen vermessen. Sie ermöglichten vor allem Verbesserungen in der satellitengestützten Schwerefeldmessung. An den Beobachtungen des Satelliten waren neben der GFZ-eigenen Satellitenstation in Potsdam 33 Bodenstationen des weltweiten SLR-Netzes (s.u.) beteiligt.
Aufgrund der mit GFZ-1 gewonnenen Erfahrungen entwickelte das GeoForschungsZentrum einen wesentlich genaueren Nachfolger – den im August 2000 gestarteten geophysikalischen Satelliten CHAMP, der nicht nur ein reflektierender Satellit ist, sondern vermisst mit „aktiven“ Methoden (Mikrowellen, Meßsonden und Analysen seiner Bahnelemente) das Erdschwerefeld, das Magnetfeld und einige Parameter der Sonnenaktivität.
Der nachfolgende Sonderstempel zeigt den Satelliten GFZ-1 und die Postkarte zusätzlich auch ein vom GeoForschungsZentrum Potsdam erstelltes Modell des Erdschwerefeldes:





In den Jahren 1969, 1971 und 1973 wurden von den amerikanischen Apollo-Missionen 11, 14 und 15 und von der russischen Mission Lunokhod 2 Laser-Reflektoren auf dem Mond deponiert. Damit war auch der Weg frei zum sogenannten Lunar Laser Ranging (LLR), also zu Laserdistanzmessungen zu diesen Mondspiegeln. Das LLR-Prinzip ist identisch mit dem des SLR, aber die Detektion der am Mont reflektierten Laserimpulse ist viel schwieriger.

Zur internationalen Abstimmung der Lasermessungen zu Satelliten wurde in den 90er Jahren der International Laser Ranging Service (ILRS) gegründet. Der ILRS organisiert und koordiniert die Laserentfernungsmessungen, um globale geodätische Projekte und Satellitenmissionen zu unterstützen (siehe dazu auch unten).


4. GNSS-Beobachtungsverfahren (Global Navigation Satellite System)
Globale Satellitennavigationssysteme fanden mittlerweile Eingang in vielen Lebensbereichen bei der Navigation und Positionsbestimmung auf der Erde. Im Bereich der Erdmessung mit satellitengeodätischen Methoden sind sie ein wichtiges Hilfsmittel in der Geodynamik geworden. Sie ermöglichen u.a. die auf wenige Milimeter genaue, tägliche Bestimmung von Koordinaten und Geschwindigkeiten der Beobachtungsstationen, oder die präzise Bestimmung der Satellitenbahnen.
Das bekannteste globale Satellitennavigationssystem ist heute das amerikanische Global Positioning System GPS (früher NAVSTAR-GPS genannt), das am 17. Juli 1995 offiziell in Betrieb genommen wurde (zunächst nur zur Positionsbestimmung und Navigation im militärischen Bereich vorgesehen); es ersetzte das frühere Doppler-System TRANSIT (s.o.). GPS basiert auf Satelliten, die ständig ihre sich ändernde Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus deren Signallaufzeit können dann die terrestrischen GPS-Empfänger durch das sog. Pseudoranging (Laufzeitmessung codierter Mikrowellen) ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen. Zur Positionsbestimmung braucht man mindestens 4 Satelliten, denn neben drei unbekannten Raumkoordinaten auch eine Zeitkomponente als Unbekannte mitbestimmt werden muss (da die GPS-Empfänger nicht über genug genaue Atomuhren verfügen).
Das GPS-System besteht heute aus knapp 30 Satelliten (mit einer erwarteten Lebensdauer von ca. 7,5 Jahren), die die Erde in 6 Bahnebenen in einer Höhe von 20.183 km umkreisen. Die Umlaufzeit von jedem Satellit beträgt 23 Stunden 55 Min und 56,6 Sekunden.
Neben der klassischen Verwendung des Systems zur Navigation mit einer ca. Dezimetergenauigkeit werden die GPS-Satelliten mit Hilfe von speziellen geodätischen Empfängern sowie Meß- und Auswerteverfahren (sog. Differenzial-GPS und Auswertungen der Trägerwellen) für hochgenaue Vermessungsaufgaben eingesetzt - von der Landesvermessung über Katastervermessungen bis hin zur Ingenieurgeodäsie (siehe auch hier). Bei diesen Verfahren sind Genauigkeiten von wenigen Milimetern zu erreichen.

Verschiedene Bauarten von GPS-Satelliten:

verschiedene GPS Navstar Satelliten
Angola [1999], (Mi 1442); Ciskei [1982], (Mi)


Ein die Erde umspannendes "Käfig" von GPS-Navigationssatelliten, die in 6 kreisförmigen Bahnebenen die Erde umkreisen:



Prinzip der Navigation mit Hilfe von GPS-Satelliten (zur Positionsbestimmung sind mind. 4 Satelliten notwendig):

Fiji [], (Mi )

Neben dem amerikanischen GPS ist seit 1996 auch das russische Satellitennavigationssystem GLONASS (GLObalnaya NAvigationnaya Sputnikovaya Sistema) im Einsatz. GLONASS besteht im vollen Ausbauzustand aus 24 Satelliten auf drei Bahnebenen, das System ist jedoch aufgrund von häufigen Satellitenausfällen noch nicht vollständig aktiv. Die GLONASS-Satelliten fliegen ca. 1000 km tiefer als die GPS-Satelliten, was zu einer kürzeren Umlaufzeit von 11 Stunden und 16 Minuten führt.
Seit einigen Jahren werden auch weitere globale Satellitennavigationssysteme (GNSS) konzipiert und aufgebaut - das europäische System Galileo, das chinesische System Beidou / Compass und das indische System IRNSS. Die nachfolgende französische Briefmarke zeigt die Umlaufbahnen und einen Satelliten des Galileo-Systems. Die ersten beiden operativen Satelliten wurden am 21. Oktober 2011 in ihre Umlaufbahn gebracht.




5. Verfahren der Satellitenaltimetrie (Höhenmessung)
Die Satellitenaltimetrie ist ein Meßverfahren der Satellitengeodäsie, mit dem die sog. Meerestopographie, also die Höhe der Meeresoberfläche abgeleitet wird. Dabei werden von einem Satelliten Radarimpulse ausgesandt und nach Reflexion an der Wasseroberfläche wieder empfangen. Aus der Laufzeit der Impulse wird die Höhe des Satelliten über der Meeresoberfläche bestimmt. Gleichzeitig kann aus der bekannten Position des Satelliten seine Höhe über dem Erdellipsoid berechnet werden. Die Differenz beider Höhen ergibt die Höhe des Meeresspiegels über dem Ellipsoid, die sich aus der sog. Geoidundulation (also Höhe des Geoides, d.h. der mittleren ruhenden Meeresoberfläche über dem Ellipsoid) und der sog. Meerestopographie zusammensetzt. Die so bei bekannter Geoidundulation bestimmbare Meerestopographie dient zur Modellierung von Meeresströmungen.
Das erste Satellit, der mit einem Altimeter ausgestattet war, war der 1975 gestartete Forschungssatelit GEOS 3 (s.o.). Das erste Satellitenaltimetrie-Projekt, das speziell für die globalen Untersuchungen der Meerestopographie und der Meeresströmungen geplant wurde, war die französisch-amerikanische TOPEX/Poseidon-Mission. Der Forschungssatellit wurde am 10. August 1992 mit einer Ariane-Rakete von Kourou aus in eine 1336 km hohe Erdumlauf-bahngebracht und am 5. Januar 2006 nach mehr als 13 Jahren außer Dienst gestellt. Der Satellit war mit je einem amerikanischen und französischen Radar-Altimeter ausgestattet. Die Bahn des Satelliten wurde mit drei unabhängigen Beobachtungstechniken bestimmt: mit dem französichen DORIS-System (ein auf dem Doppler-Effekt basierendes System), mit SLR und mit GPS. So konnte eine Positionsgenauigkeit von wenigen Zentimetern erreicht werden.

Französische Süd- und Antarktisgebiete [], (Mi )

TOPEX POSEIDON
Madagaskar [], (Mi ); Dominica [], (Mi)

Als Nachfolger des TOPEX/Poseidon Satelliten wurde am 7. Dezember 2001 mit einer Delta II Trägerrakete von Vandenberg (USA) aus der französisch-amerikanische Altimeter-Satellit Jason-1 auf eine 1336 km hohe Umlaufbahn gebracht. Neben einem Radar-Altimeter ist er mit einem Doppler-System (DORIS), einem GPS-Empfänger und einem Laser-Retroreflektor zur Positionsbestimmung ausgestattet.
Mit Radar-Altimetern zur Vermessung der Meeresoberfläche sind bzw. waren auch andere Forschungs- und Fernerkundungssatelliten ausgestattet, z.B. ERS-1, ERS-2, Envisat (Nachfolger von ERS), Geosat, Seasat.


Radiointerferometrie (VLBI):

VLBI (Very Long Baseline Interferometry - Interferometrie auf langen Basislinien) ist eine Meßmethode der Radioastronomie mittels Interferometern für Messungen mit höchster räumlicher Auflösung und Positionsgenauigkeit. Sie dient sowohl für astronomische Beobachtungen, als auch für geodätische Untersuchungen im Bereich der Erdmessung. Geodätische Anwendungen der VLBI nutzen Paare oder großere Gruppen von Radioteleskopen zur simultanen Beobachtung extragalaktischer Radioquellen, wie z.B. Quasare und Radiogalaxien, um daraus Rückschlüsse auf Erdrotation und Kontinentaldrift ziehen zu können. Diese weit entfernten Himmelskörper erscheinen wegen ihrer weiten Distanz von der Erde punktförmig und besitzen scheinbar keine Eigenbewegung, also realisieren damit ein Inertialsystem (das raumfeste Bezugssystem ICRF - International Celestial Reference Frame). Die Entfernung der Radioquellen gilt als unendlich, so dass die anfallenden Strahlen als parallel angenommen werden können.
Durch präzise Messung der Radiosignale dieser Quellen mit zwei oder mehr Radioteleskopen und ihre mit Zeitmarken (durch hochpräzise Atomuhren erzeugt) versehene Speicherung wird eine Art Signal-Laufzeitmessung möglich. Die Daten werden mittels eines Korrelators so lange auf der Zeitachse verschoben, bis fast vollständige Übereinstimmung der Signalspitzen erreicht ist. Die Auswertung der beobachteten Laufzeitunterschiede des Signals ermöglicht, die Entfernungen zwischen den mehrere Tausend Kilometern entfernten Radioteleskopen mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern zu ermitteln. Durch die Messung der Abstände der Radioteleskope zueinander können auch ihre relativen Bewegungen und Bewegungsrichtungen auf wenige Millimeter genau bestimmt werden, was u.a. die Rückschlüsse auf die Platentektonik erlaubt. Mit Hilfe von VLBI kann auch die Orientierung der Drehachse der Erde im Raum erfolgen.
Der nachfolgende Stempel zeigt symbolisch parallel auf die Erde antreffende Strahlung, die als Strahlung der unendlich weit entfernten Radioquellen interpretiert werden kann, die von den VLBI-Radioteleskopen empfangen wird:

Radioteleskope werden seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wissenschaftlich genutzt, als der amerikanische Physiker Karl Guthe Jansky 1932 feststellte, daß Himmelskörper neben dem sichtbaren Licht Radiowellen aussenden. Seit der Konstruktion von hochgenauen Atomuhren in den 60er Jahren, werden die Radioteleskope nicht nur einzeln sondern auch im Verbund und mit sehr großem räumlichen Abstand voneinander eingesetzt, also im VLBI-Verfahren angewendet. Dabei steigt das Auflösungsvermögen unter die Millibogensekunde (abhängig vom Abstand der beteiligten Teleskope).

Die nachfolgende spanische Briefmarke und der Sonderstempel zeigen den 40 m - Radioteleskopen des Astronomischen Zentrums von Yebes (CAY), in der Provinz Guadalajara (70 km von Madrit entfernt). Das CAY ist das technisch am weitesten entwickelte Zentrum des spanischen Nationalen Astronomischen Observatoriums (OAN), das aus verschiedenen Zentren besteht. Die Antenne ist für Wellen im Zentimeter- und Millimeterbereich und damit für die Beobachtung in VLBI geeignet. Der Radioteleskop von Yabes ist einer der VLBI-Teleskope, die an dem International VLBI Service for Geodesy and Astrometry (IVS) und somit auch an geodätischen VLBI-Experimenten teilnehmen (s.u.):

Spanien [2007], (Mi )




Eine weitere geodätische VLBI-Station, die an dem IVS-Service als Netzwerkstation beteiligt ist, ist das norwegische Raumgeodätische Observatorium (Space-Geodetic Observatory) in Ny-Ålesund auf der Westküste von Spitzbergen. Die im Jahre 1994 als Ergebnis der Kooperation zwischen NASA, NOAA und der Norvegian Mapping Agency gegründete Station verfügt über eine 20-m-VLBI-Antenne. Inzwischen hat sich das Observatorium zur geodätischen Fundamentalstation (siehe unten) weiterentwickelt, die weitere raumgeodätische Verfahren und geophysikalische Instrumente einsetzt, z.B. GPS-Antennen (Teil des IGS-Service) und verschiedene Gravimeter.

Abb. xxx: Internationales Polarjahr 2007 / 2008,
rechts: Radioteleskop des Raumgeodätischen Observatoriums in Ny-Ålesund
Norwegen [2007], (Mi )


Auch das 100 m - Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Effelsberg in der Eifel nimmt einmal im Jahr an geodätischen VLBI-Messungen teil. Sonst ist der riesige Radioteleskop aber regelmäßig außerordentlich stark mit astronomischen Messungen ausgelastet:

Deutschland [], (Mi )

Die deutschen Radioteleskope in Effelsberg und Wettzell (s.u. Fundamentalstation), sowie der spanische Radioteleskop OAN-Yabes sind zusammen mit 12 anderen auch in dem European VLBI Network zusammengeschlossen.

Die japanische Briefmarke sowie der Sonderstempel von 2019 zeigen die VLBI-Antenne der Ishioka Geodesy Observation Station:

Japan [2019]





Terrestrische Beobachtungsstationen, globales Bezugssystem ITRS:

Für Zwecke der Erdmessung mit Hilfe von Raummessverfahren wurden weltweit zahlreiche temporäre und permanente geodätische Stationen und Observatorien errichtet, die verschiedene astronomische und satellitengeodätische Beobachtungen durchführen. Die nachfolgende Briefmarke anläßlich des Internationalen Geophysischen Jahres 1957/1958 zeigt u.a. die Lage der temporären Niederländischen Geodetisch-Astronomischen Station auf der Karibik-Insel Curacao in den Niederländischen Antillen. Sie wurde auf die Initiative des damaligen Präsidenten der Niederländischen Geodätischen Kommission (Prof. R. Roelofs) als niederländischer Beitrag zum Internationalen Geophysischen Jahr errichtet und arbeitete vom Juli 1957 bis Januar 1959. Ihre Aufgabe war die Untersuchung verschiedener Phänomene, wie z.B. die zeitlichen Veränderungen der geograph. Breite der Station, die Störungen der Rotationsgeschwindigkeit der Erde oder die Veränderungen der geozentrischen Koordinaten der Station. Die astronomischen Breiten- und Längenbestimmungen wurden mit einem Danjon-Astrolab durchgeführt, auch ein Passageinstrument von Pistor & Martins (eine Art des Universaltheodolites) kam zum Einsatz.

Niederländische Antillen []: (Mi )

Heute arbeiten viele weltweit verteilte geodätische Beobachtungsstationen vernetzt im Rahmen von verschiedenen internationalen Diensten, die die Beobachtungen, den Datenfluß und die Auswertungen innerhalb der einzelnen Raummessverfahren koordinieren. Zu diesen Diensten zählen:
International Laser Ranging Service (ILRS):
ILRS ist ein im September 1998 gegründeter geodätischer Service der International Association of Geodesy (IAG). Die Messungen der zurzeit ca. 40 im ILRS zusammengeschlossenen SLR-Stationen werden rechnerisch zu präzisen Vermessungsnetzen zusammengeschlossen, woraus Koordinaten und Erdrotation im mm-Bereich abgeleitet werden können. Zu den fundamentalen Produkten des ILRS zählen genaue Ephemeriden (Bahnendaten) der Laser-Satelliten, die Koordinaten und plattentektonischen Änderungen der SLR-Observatorien (u.a. auch Nachweis der Kontinentalverschiebungen), Variationen des Geozentrums und des Erdschwerefeldes, sowie Fundamentalkonstanten der Physik, des Erdmondes und der Mondbahn.
Auf der deutschen Seite sind im ILRS beteiligt die Beobachtungsstationen des GeoForschungsZentrum in Potsdam, und die Fundamentalstation Wettzell (s.u.) des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie. In Europa haben sich die SLR-Stationen zusätzlich zu dem „EUROLAS Consortium of the European Laser Ranging Station“ zusammengeschlossen.
International GNSS Service (IGS):
Der Internationale GNSS (Globales Satellitennavigationssystem) Service wurde am 1. Januar 1994 im Rahmen der IAG ins Leben gerufen. Heute beteiligen sich am IGS weltweit ca. 200 Organisationen, und es wird ein Netz von ca. 350 global verteilten Beobachtungsstationen betrieben. Die von den Stationen ununterbrochen registrierten Daten werden laufend in zwölf Rechenzentren ausgewertet und zu einem IGS-Produkt kombiniert. Die Hauptaufgabe des Dienstes ist die präzise Bestimmung der Bahnen von GPS- und GLONASS-Satelliten, die Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von GNSS für hochgenaue Anwendungen z.B. in der Landesvermessung sind. So sind selbst regionale Vermessungsaufgaben auf globale Grundlagen angewiesen. Neben den Satellitenbahnen werden durch den IGS die Parameter der Polbewegung, die Koordinaten und Geschwindigkeiten der Stationen des IGS Beobachtungsnetzes, Satelliten- und Empfängeruhren, Troposphärenparameter sowie globale Ionosphärenmodelle bestimmt. Der Nutzerkreis von IGS-Produkten kommt also aus verschiedensten Disziplinen.
International DORIS Service (IDS):
IDS ist ein internationaler Dienst der IAG, der mit Hilfe von DORIS-Daten und Produkten geodätische, geophysische und andere Forschungsaktivitäten unterstützt. An dem Netzwerk beteiligen sich zurzeit ca. 67 weltweit verteilte DORIS-Stationen.
International VLBI Service for Geodesy and Astrometry (IVS):
Der International VLBI Service for Geodesy and Astrometry (IVS) ist ein internationaler Zusammenschluss aller Institutionen und Einrichtungen, die das Verfahren der geodätischen VLBI anwenden und weiterentwickeln. Dieser Dienst wurde im Rahmen der IAG gegründet und besteht zurzeit u.a. aus 28 weltweit verteilten VLBI-Stationen (u. a. die Deutsche Beobachtungsstation O'Higgins in der chilenischen Antarktis, s.u.), 3 Operationszentren, 6 Datenzentren, und 5 sog. Korrelatoren.
In Europa haben sich die VLBI-Stationen außerdem zum europäischen Netzwerk "The European VLBI Network" (EVN) zusammengeschlossen.

Brief von der Antarktisstation O'Higgins mit dem amtlichen Poststempel der Station und einem Cachet



Die meisten terrestrischen Beobachtungsstationen, die im Rahmen der o.g. IAG-Dienste (IGS, ILRS, IDS, IVS) die verschiedenen Beobachtungen durchführen, spezialisieren sich in einem oder zwei dieser Raummeßverfahren. Aber nur durch eine Kombination aller Verfahren können ihre Stärken optimal genutzt und höhste Genauigkeiten erreicht werden. Deshalb gibt es derzeit weltweit auch sieben sog. Fundamentalstationen, die die Kombination der verschiedenen Meßtechniken ermöglichen, da dort die gegenseitige geometrische Lage zwischen den einzelnen Meßsystemen lokal präzise gemessen werden kann. Dadurch können die Meßergebnisse der einzelnen Verfahren verglichen (und die systematischen Abweichungen aufgedeckt) und die Vorteile der unterschiedlichen Methoden gemeinsam genutzt werden.
Eine der nur zwei geodätischen Fundamentalstationen in Europa befindet sich in Wettzell im Bayerischen Wald (die zweite in Matera, Italien). Die 1972 gegründete Fundamentalstation wird im Rahmen der Forschungsgruppe Satellitengeodäsie (FGS) gemeinsam vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) und der Forschungseinrichtung Satellitengeodäsie (FESG) betrieben. An der FGS beteiligen sich neben dem BKG und der FESG auch das Institut für Astronomische und Physikalische Geodäsie (IAPG) der TU-München, das Deutsche Geodätische Forschungsinstitut (DGFI) und das Geodätische Institut der Universität Bonn (GIUB).





Die Fundamentalstation Wettzell betreibt u.a. einen 20m-Radioteleskop für VLBI-Beobachtungen, eine permanente GNSS-Station und führt auch SLR- und LLR-Beobachtungen durch. Außerdem betreut sie die Deutsche Beobachtungsstation O'Higgins in der chilenischen Antarktis (German Antarctic Receiving Station - GARS; betrieben gemeinsam von BKG und DLR - Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt), die VLBI-Beobachtungen durchführt und auch Daten von Fernerkundungssatelliten erfaßt. In der Fundamentalstation wurde zudem das Transportable Integrierte Ggeodätische Observatorium (TIGO) entwickelt, das seit 2002 in Conception/Chile zum Einsatz kommt (sie verfügt über vergleichbare Beobachtungssysteme, wie die Fundamentalstation Wettzell).

Karte mit Cachet, aufgegeben in der deutschen Antarktisstation O'Higgins



International Earth Rotation and Reference Frame Service (IERS); Bezugssystem ITRS:
Der Internationale Erdrotationsdienst (IERS) wurde im Jahre 1987 als Nachfolger des seit 1899 existierenden Internationalen Breitendienstes (mit Sitz im Berlin) durch die Internationale Astronomische Union (IAU) und die Internationale Union für Geodäsie und Geophysik (IUGG) gegründet. Die Hauptaufgabe dieser internationalen Organisation ist die Messung und Berechnung der Erdrotation und eines Bezugssystems für astronomische und geographische Positionsdaten. Der IERS kombiniert die Ergebnisse der IGS, ILRS, IVS und IDS Einzeldienste zu endgültigen Produkten, die Grundlage für viele Forschungsaufgaben in allen Geowissenschaften und in der Raumfahrt sind. Das Zentralbüro der IERS befindet sich beim BKG in Frankfurt am Main.
Viele der oben genannten astronomisch-geodätischen Beobachtungsstationen beteiligen sich auch an der Realisierung des international vereinbarten, erdfesten, weltweiten Bezugssystems ITRS (International Terrestrial Reference System), das ein wichtiger Teil des Internationalen Erdrotationsdienstes (IERS) ist. Ursprung dieses dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystems ITRS ist der Massenmittelpunkt der Erde (Geozentrum), dessen Lage aus den Bahnen der Erdsatelliten abgeleitet wird. Die Z-Achse ist die Rotationsachse der Erde, die X-Achse liegt in der Ebene des Nullmeridians von Greenwich, und die Y-Achse steht senkrecht zu den beiden anderen. Da die Erde kein starrer Körper ist, verändert sich im Laufe der Zeit durch die Gezeiten, durch die Plattentektonik etc die Massenverteilung also auch die Lage des Geozentrums und der Rotationsachse. Daher wird das IERS durch laufende Messungen ständig angepaßt und jährlich neu definiert. Realisieret wird das theoretisch so festgelegte System in der Praxis durch eine Vielzahl von Festpunkten auf der Erdoberfläche, die den ITRF (International Terrestrial Reference Frame) bilden. Derzeit besteht der ITRF aus ca. 400 weltweit verteilten, präzise bestimmten Vermessungsfestpunkten (i.d.R. Fundamentalstationen, geodätische Beobachtungsstationen oder Sterenwarten), deren Positionen (Koordinaten und ihre Änderungen) durch Verfahren der Satellitengeodäsie (GNSS, SLR, LLR, DORIS) und der Radiointerferommetrie (VLBI) präzise bestimmt werden.
Die Lage des ITRS aus dem Jahre 1989 wurde von der Europäischen Subkommission der IAG (EUREF) quasi "eingefroren" und als das neue europaweite dreidimensionale geodätische Bezugssystem - Europäisches Terrestrisches Referenzsystem 1989 (ETRS89) definiert. Zur Epoche 1. Januar 1989 klafften die Koordinaten aus ETRS89 und WGS84 (World Geodetic System 1984 - dreidimensionales globales Koordinatensystem für die Positionsangaben auf der Erde, das die geodätische Grundlage des Global Positioning Systems (GPS) bildet) um weniger als 1 m auseinander, womit beide Systeme innerhalb dieser Lagegenauigkeit als identisch angesehen werden können.
In Deutschland hat die Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) im Jahre 1991 die Einführung des ETRS89 als einheitliches amtliches Lagebezugssystem für ganz Deutschland beschlossen. Heute ist das ETRS89 in Deutschland durch SAPOS, den Satellitenpositierungsdienst der deutschen Landesvermessung, hochgenau, homogen und flächendeckend für alle Bereiche des Vermessungswesens realisiert.