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d i r e k t e   K a r t i e r u n g   -   M e s s t i s c h m e s s u n g e n
Ein Messtisch ist ein mittlerweile historisches Gerät, der in Verbindung mit einem Diopterlineal oder später mit einer Kippregel vor der Einführung der Tachymeter zur topographischen Aufnahme von Objekt- und Geländepunkten sowie zur deren gleichzeitigen Kartierung diente.

Der Messtisch soll von dem holländischen Astronomen Gemma Frisius (1508-1555) erfunden worden sein. Andere Quellen beschreiben aber, dass seine Erfindung auf Johann Praetorius (= Johann Richter, 1537-1616, deutscher Mathematiker, Instrumentenbauer und Astronom) aus Altdorf bei Nürnberg im Jahre 1590 zurückgehrt. Bekannt gemacht wurde der Messtisch jedenfalls durch seinen Schüler Daniel Schwenter (1585-1636) in dem Buch Geometriae practicae novae Tractatus III von 1618. Eine ausführliche Baubeschreibung einer solchen "Mensula Praetoriana" befindet sich im Theatrum arithmetico-geometricum von 1727 von Jacob Leupold (1674-1727). Im Laufe der Zeit ist der Messtisch immer weiter verbessert worden, so z.B. von Leonhard Zubler (1563-1609) und von Athanasius Kircher (1602-1680), die ebenfalls von Leupold beschrieben wurden. Zu Kirchers Messtisch hat sein Schüler Kaspar Schrott (1608-1666) ein ausführliches Handbuch verfasst.

Der Messtisch bestand aus einer hölzernen Messtischplatte, einem Messtischkopf und einem Stativ, auf dem die Platte aufgeschraubt wurde und mit einer Libelle horizontiert werden konnte. Auf der Messtischplatte, die als Zeichenplatte diente, wurde ein Aufnahmeblatt (i.d.R. ein Bogen Papier) befestigt. Auf dem Aufnahmeblatt lag ein frei bewegliches Visierlineal mit Dioptern (Diopterlineal) an seinen Enden zur genauen Anzielung der Objekte. Später wurde es durch die optische Kippregel ersetzt. Die Kippregel war ein Instrument zur graphischen Aufnahme von Geländepunkten und bestand aus einem Untersatz mit Kartiereinrichtung (ein Messing-Lineal), einem mit ihm verbundenen Fernrohrträger sowie einem um die horizontale Achse kippbarem Fernrohr.

Mit dem Diopterlineal wurden die Richtungen zu markanten Geländepunkten oder Objekten, z.B. zu Kirchturmspitzen, eingestellt indem diese Objekte angezielt wurden, und dann wurde an dem Lineal eine Linie gezeichnet, die parallel zur Verbindungslinie zwischen Beobachter und dem anvisierten Punkt verlief. Wurde das anvisierte Objekt auf diese Weise von zwei Standpunkten des Messtisches angemessen, entstand zwischen dem Schnittpunkt der auf dem Aufnahmeblatt eingezeichneten Linien und der ähnlich konstruierten Verbindungslinie beider Standpunkte ein Dreieck, das dem wirklichen Dreieck im Gelände zwischen den Standpunkten und dem Objektpunkt ähnlich war. War die Entfernung zwischen den Standpunkten bekannt oder wurde sie gemessen, konnten mit Hilfe des gezeichneten Dreiecks die wirklichen Streckenlängen berechnet werden. Auf diese oder ähnliche Weise konnten also zeichnerisch drei Grundaufgaben gelöst werden: Bestimmung der Entfernung zwischen zwei Punkten, deren direkte Verbindung nicht möglich ist, aber beide vom dritten Punkt aus zugänglich sind, die Bestimmung der Entfernung zwischen zwei Punkten, von denen einer ganz unzugänglich ist und die Bestimmung der Entfernung von zwei Punkten, wenn beide unzugänglich sind.

Die nachfolgende Briefmarke zeigt einen Polarforscher beim Arbeiten an einem Messtisch, auf dem sich wohl ein Diopterlineal befindet:

Geschichte der Landvermessung und Kartierung von Antarktis (BAT [1998])

Australian Antarctic Territory [2001], (Mi )


Mit den im Fernrohr der später gebräuchlichen Kippregel integrierten Distanzstrichen konnte auch eine optische Distanzmessung zu einer im Zielpunkt aufgestellten Messlatte erfolgen. Dann konnte direkt eine Geländekartierung auf dem Aufnahmeblatt erfolgen. Dazu wurden der Messtisch und die Kippregel über einem lage- und höhenmäßig bekannten Punkt zentriert, horizontiert und mit hilfe eines weiteren Festpunktes nach Norden ausgerichtet. Auf dem Messtisch befand sich ein Zeichenträger mit einem Koordinatennetz im entsprechenden Maßstab und bereits kartierten Messpunkten. Auf den zu kartierenden Neupunkten im Gelände wurde nacheinander eine Messlatte lotrecht aufgehalten und mit der Kippregel angezielt. Aus dieser Messung konnte die Horizontalentfernung zu dem Punkt abgeleitet werden, die dann an dem Kippregellineal an dem Zeichenträger maßstäblich abgetragen wurde. Ebenso konnte aus den Ablesungen der Messlatte der Höhenunterschied zum Standpunkt ermittelt und durch die Addition zur bekannten Höhe des Festpunktes die NN-Höhe des Neupunktes berechnet werden. Nach Aufnahme einer ausreichenden Anzahl von Neupunkten wurden unmittelbar die Grundrissobjekte gezeichnet und die Höhenlinien interpoliert. So entstand direkt im Gelände der Kartenentwurf einer topographischen Karte, die dann häuslich nur noch kartographisch bearbeitet werden musste.

Breite Anwendung fand die Messtischaufnahme insbenondere bei den topographischen Landesvermessungen des 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts, z.B. in Sachsen Ende des 18. Jh. oder in Bayern zu Beginn des 19. Jh. Erhalten blieb auch noch bis heute der Begriff "Messtischblatt" für die topografischen Karten im Maßstab 1:25.000 (TK25), die im Rahmen der Preußischen Landesneuaufnahme zwischen 1875 und 1931 mit Hilfe dieses Verfahrens erstmals hergestellt wurden (insg. 3065 Blätter).

Die Abbildung des nachfolgenden FDC zeigt einen österreichischen Vermessungsbeamten beim Messen mit einer Kippregel auf einem Messtisch:

150 Jahre Österreichischer Grundkataster (Östereich [1967] - FDC)


Anläßlich des 200. Jahrestages der geogrphischen Vermessungen im Lande hat die norwegische Post eine Briefmarke herausgegeben, die den Topographen Otto H. Munthe-Kaas bei seiner Arbeit während der topographischen Messtischaufnahme in Nordnorwegen im Jahre 1907 zeigt (Abbildung nach einem Photo:)

200 Jahre geographischer Vermessungen (Norwegen [1973], Mi 674)


Auf der linken Briefmarke im Block der argentinischen Post wurde ein Polarforscher bei Arbeiten mit Kippregel und Messtisch dargestellt:

50 Jahre Instituto Antartico Argentino (Argentinien [2001])