Groß ist meine Freude als ich heute morgen draußen den makellos blauen Himmel sehe. Nach dem gestrigen grauen und vernebelten Tag habe ich mit einem solchen Wetterumschwung nicht mehr gerechnet. Und heute erwartet uns doch der Höhepunkt unserer Reise - die Besichtigung der legendären Ruinenstadt Petra, die bei dem wunderschönen Wetter sicherlich noch attraktiver sein wird.
Die von dem geheimnisvollen Volk der Nabatäer vor ca. 2000 Jahren im Süden Jordaniens gegründete Hauptstadt Petra liegt inmitten einer großartigen Landschaft aus zerklüfteten Sandsteinformationen und passt sich in diese vollkommen ein.
Die Stadt zählte in ihrer Blütezeit bis zu 25.000 Einwohner und hatte eine Fläche von 25 Quadratkilometern. Berühmt ist Petra besonders durch seine Grab- und Tempelfassaden, die in die weichen gelben, rosa, roten und violetten Sandsteinfelsen gehauen wurden und im Gegensatz zu gebauten Häusern die zahlreichen Erdbeben überdauert haben. Für die westliche Welt wurde Petra erst 1812 wiederentdeckt. Man schätzt, dass bis heute erst ca. 5 % der Stadt ausgegraben wurden.
Nach dem Frühstück im Hotel gehen wir ca. 10 Min zu Fuß zum Besucherzentrum, wo wir uns mit dem Rest der Gruppe (übernachteten in einem anderen Hotel) und unserem Reiseführer treffen.
Gegen 8.00 Uhr betreten wir gemeinsam über den Haupteingang das Gelände, auf dem sich die historische Stadt Petra befindet.
Direkt am Eingang befindet sich eine Pferdestation, wo zahlreiche Araber mit ihren Pferden und Kutschen auf Kundschaft warten. Man kann entweder reiten oder mit einer Kutsche bis zum Eingang in die enge Schlucht (Bab as-Siq) fahren. Obwohl der Pferderitt in unserem Reisepreis enthalten ist, ziehe ich lieber den Fußmarsch vor.
Es geht zunächst über einen breiten Schotter- und Sandweg in relativ flachem Gelände
. Bereits hier passieren wir schon frühe Nabatäergräber - drei Djin-Blöcke und ein großes Obeliskengrab mit vier Obelisken
. Nach wenigen Minuten erreichen wir den Eingang in die schmale Schlucht, über die einer der wenigen Zugangswege zu der in Felsen versteckten Stadt führt.
Hier enden auch die Pferderitte und Kutschenfahrten. Das Reiten ist im Siq seit einigen Jahren verboten, und nur ältere und kranke Touristen dürfen mit einer Kutsche weiterfahren.
Der etwa zwei Kilometer lange Hauptweg nach Petra führt über eine natürliche Felsspalte. An manchen Stellen ist diese Spalte nur wenige Meter breit.
Unterwegs erkennt man noch die Reste der gepflasterten Straße aus der nabatäisch-römischen Zeit. Am Rand des Siq verlaufen ins Fels gehauene Rinnen und Wasserleitungen, durch die Petra aus einer Wasserquelle in Wadi Mousa versorgt wurde.
Wir erreichen das Ende des Siq und vor unseren Augen taucht zwischen den engen Schluchtwänden urplötzlich die Fassade des Schatzhauses auf - ein obligatorisches Photomotiv,
das aus fast allen Berichten über Petra bekannt ist. Das Schatzhaus - al-Khazneh - ist wohl das bekannteste und schönste Denkmal Petras.
Wenn man direkt vor der 30 m breiten und 43 m hohen Fassade steht, merkt man erst, wie gigantisch das Bauwerk ist.
Vom Eingang aus kann man auch einen Blick ins Innere des Schatzhauses werfen - es sind aber nur drei leere Räume.
Es ist noch relativ früh morgens, und durch den Siq strömen immer wieder neue Touristengruppen nach Petra. Der Platz vor dem Schatzhaus ist menschenvoll. Es befinden sich hier auch einige Verkaufsstände mit Souvenirs. Und einige Kamele warten auf Touristen, die sich im Sattel vor der großartigen Fassade fotografieren wollen. Wir bekommen etwas Freizeit, um uns das Schatzhaus aus allen Blickwinkeln anschauen zu können, dann besichtigen wir ein unterhalb des Geländeniveaus gegenüber liegendes Felsengrab.
Anschließend geht es weiter durch den Äußeren Siq an weiteren großen Gräbern und Triklinia vorbei
zum Theater und zum Stadtkern. Kurz vor dem Theater reihen sich auf der linken Seite 44 Gräber zu der Kulisse der Theaternekropole auf.
Unterwegs halten wir immer wieder auf und besichtigen einige der Bauwerke. Faszinierend sind dabei auch die bunten Farbübergänge in den Sandsteinwänden,
die an manchen Stellen ein regenbogenartiges Spektrum zeigen. Nach der Besichtigung des Amphitheaters,
dessen Tribünen mit ca. 7000 Sitzen in dem rosaroten Felsen gehauen wurden,
machen wir eine Pause. Hier, hinter dem Theater, befinden sich einige Restaurants, Erfrischungsstände und Toiletten. Erwartungsgemäß herrscht hier ein ziemlicher Andrang, denn wir haben Mittag und alle Besuchergruppen, die morgens Petra betreten haben, treffen sich hier wieder.
Nach einer ca. halbstündigen Pause gehen wir dann zu den Königsgräbern. Sie liegen hoch in einer steilen Wand des Jebel al-Khubtha, östlich von Wadi Moussa und von dem Hauptweg durch Petra, schräg gegenüber dem Theater.
Über eine restaurierte Treppenanlage erreicht man zuerst den spektakulärsten Bau der Anlage, das Urnengrab mit einer hohen Fassade und einer sehr großen Haupthalle (17 x 19 m).
Von einer Plattform vor dem Grabeingang hat man eine sehr schöne Aussicht auf Petra.
Als wir hier stehen, bemerkt unser Reiseleiter plötzlich, dass in einer kleinen englischen Gruppe neben uns der Schauspieler Sean Connery steht. Auf seine spätere kurze Nachfrage bestätigt ihm dies der jordanische Begleiter der Engländer. Auch Vertreter des englischen Königshauses sollen sich in dieser Gruppe befinden.
Von hier gehen wir dann zu den etwas tiefer gelegenen Fassaden der anderen Königsgräber: das Seidengrab
(hat eine Fassade mit sehr intensiven Farbübergängen in Form von leuchtenden roten, gelben und grauen Farbstreifen im Gestein), das Korinthische Grab
und das Palastgrab.
Vor den Gräbern verkaufen einige Beduinen Souvenirs und bunte Felsstückchen oder warten mit Kamelen auf interessierte Touristen (Foto, Kamelritt). Einige Frauen und Kinder weiden auch in der Nähe ihre schwarzen Ziegen. Der weitere Weg führt uns dann von den Königsgräbern in westliche Richtung,
weiter entlang des Wadis. Wir nehmen einen Weg oberhalb des Hauptweges, an dem sich Reste der Kolonnaden und eines dreiteiligen Bogens befinden.
Hier befand sich damals ein geschäftiger Marktplatz, umsäumt von Läden und Wohnhäusern, der lebendige Mittelpunkt der Stadt. Heute ist davon nicht viel zu sehen, aber wenn man bedenkt, wie hoch das Gelände beiderseits der Straße ist, kann man sich vorstellen, dass es hier noch einiges zu entdecken gibt.
Nördlich der Hauptstraße besichtigen wir die Überreste einer byzantinischen Kirche mit noch sehr gut erhaltenen Bodenmosaiken. Um sie zu schützen, ist die Ruine der aus dem 5.Jh. stammenden Kirche mit einem großen Zelt überspannt. Von hier gehen wir herunter zu der Hauptstraße, die im Westen bald vor einer steilen Felswand des Al-Habis Berges endet. Am Ende dieser Säulenstraße befinden sich mehrere Restaurants, Toiletten und ein kleines Museum.
Auch hier warten viele Beduinen mit ihren Kamelen
und Eseln auf Touristen, die weiter oder zurück nicht zu Fuß gehen wollen.
An dieser Stelle endet für uns die offizielle Führung durch Petra.
Es ist früher Nachmittag und wir haben Zeit für weitere Unternehmungen, bis die Tore von Petra schließen. Ich gehe zunächst links von der Hauptstraße, wo ein kleiner Treppenaufgang zur Ruine des Haupttempels von Petra - Quasr al-Bint - führt.
Danach entscheide ich mich, die zweite große Attraktion von Petra - das Kloster Ad-Dayr - zu besuchen, die hoch in den Bergen ziemlich abseits des Zentrums liegt. Der Weg dahin beginnt rechts am Ende der Säulenstraße und führt zunächst über Sand und dann über ca. 800 im Felsen geschlagene Treppen nach oben, teilweise an steilen Wänden und tiefen Abgründen vorbei.
Es gibt aber auch flachere Abschnitte, die ein Durchatmen und kurze Erholung ermöglichen.
Gut, dass Nachmittags der Weg meistens angenehm im Schatten liegt. Unterwegs, insbesondere im unteren Abschnitt, gibt es viele schön blühende Oleandersträucher.
Immer wieder eröffnen sich reizvolle Landschaftsausblicke.
Nach ca. 45 Minuten ist das Ende des Weges erreicht, aber ich suche vergeblich nach dem berühmten Ad-Dayr (Al Deir). Erst als ich noch mehrere Meter weiter gehe und mich dann umdrehe, sehe ich direkt vor mir die riesige Fassade.
Sie ist mit einer Fläche von 45 x 50 m die größte Fassade von Petra.
Man kommt sich davor, wie eine kleine Ameise. Es lohnt sich noch weiter zu gehen, um die Dimension aus einer größeren Entfernung in der unwirklichen Berglandschaft besser erfassen zu können.
Ich mache hier eine Pause, und sitzend im Sand betrachte nachdenklich das Bauwerk. Wie viele Leute und wie lange haben wohl daran gearbeitet, bis die Fassade und der große Raum dahinter aus dem Felsen gemeißelt wurde?
Nach kurzer Erholung gehe ich weiter in nordwestliche Richtung.
Ich bin hier sehr hoch und immer wieder eröffnen sich schöne Ausblicke auf die Berglandschaft des im Westen liegenden Wadi Araba.
Am Ende erreiche ich ein Felsplateau, hinter dem nur ein tiefer Abgrund ist, dann mache ich mich auf den Rückweg, wieder am Ad-Dayr vorbei und dann über den Treppenweg hinunter. Ab und zu passieren mich kleine Berberkinder, die auf Eseln den teilweise sehr schmalen Weg rauf oder runterreiten.
Unten angekommen gehe ich wieder über die Säulenstraße Richtung Königsgräber zurück. Zwischenzeitlich hat sich das Zentrum von Petra sehr stark entvölkert, man sieht keine Touristengruppen mehr, nur ab und zu einzelne Leute. Jetzt, wo Petra nicht so überlaufen ist, herrscht hier eine ganz andere Atmosphäre. Ich gehe nochmals hoch zu den Königsgräbern, die ich jetzt fast alleine für mich betrachten kann.
Die schon ziemlich tief im Westen stehende Nachmittagssonne erleuchtet sehr schön die Grabfassaden. Dann am Theater vorbei - hier mache ich auf den leeren Tribünen noch eine kurze Pause - und ich bin schon wieder an der Theaternekropole. Hier beginnt rechts zwischen den Felsen ein steiler Aufstieg zu dem ca. 200 m über dem Theaterniveau auf dem Jebel Madhbah gelegenen Hohen Opferplatz (1035 m über Meeresspiegel).
Es ist jetzt so schön still und ruhig in Petra, dass ich mich entscheide, noch weiter die Atmosphäre und das schöne Wetter zu genießen und gehe nach oben.
Unterwegs treffe ich kaum noch jemanden, die meisten Touristen haben Petra schon verlassen. Der Aufstieg über den steilen und schmalen Bergpfad mit mehreren hundert Steintreppen ist ziemlich mühsam,
aber oben angekommen, wird man dafür belohnt. Kurz vor dem Gipfel befinden sich zwei 7 m hohe Obelisken,
die vermutlich die höchsten nabatäischen Gottheiten verkörpern. Auf dem Gipfel befindet sich ein felsiges Plateau mit offenem Hauptplatz, zwei Altären, Becken, Wasserkanälen und Gossen für Opferzeremonien. Von oben hat man einen sensationellen Ausblick auf Petra,
aber wer bis auf den Rand des Plateaus gehen will, muss absolut schwindelfrei sein.
Der Abstieg ist angenehm und ich mache mich langsam auf den Weg zurück ins Hotel. Als ich den Siq-Eingang vor dem al-Khazneh erreiche, erscheint mir die Fassade in einem ganz anderen Licht.
Jetzt ist sie im Schatten der gegenüberliegenden Felswand und hat eine wunderschöne rosarote Farbe.
Man könnte hier stundenlang sitzen bleiben und sich die Farbspiele beim wechselnden Sonnenstand anschauen, aber ich muss zurück, will ich nicht in Dunkelheit durch den Siq laufen. Die Schlucht liegt schon ganz im Schatten, nur noch die Felsengipfeln schimmern bunt im den restlichen Sonnenstrahlen, aber als ich den Weg vor dem Siq erreiche, leuchtet hier das große Obeliskengrab noch wunderschön gelb in der untergehenden Sonne.
Am Ausgang aus Petra kaufe ich mir noch das obligatorische und für Petra typische Souvenir - kleine Fläschchen mit schönen Bildmotiven aus buntem darin aufgefüllten Sand. Gegen 18.20 Uhr erreiche ich mein Hotel, müde aber glücklich nach den in wunderbaren Petra verbrachten ca. 10 Stunden.
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